Generalat der Krankenschwestern vom Regulierten Dritten Orden des hl. Franziskus

Schwester M. Theresina Dehne


„Alles hat seine Stunde.
Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit…“

Mit diesem Schriftwort aus dem Buch Kohelet 3, 1-8 möchte ich meine Geschichte beginnen:

In Emsdetten, einer Stadt an der Ems etwa 30 km nördlich von der Universitätsstadt Münster entfernt, wurde ich am 2. April 1940 geboren. Im Süden der Stadt, wo vorher noch Heide blühte, haben meine Eltern ein Grundstück erworben, um ein Einfamilienhaus mit einem großen Garten zu errichten. Vater und Mutter kamen aus einer Großfamilie und wünschten sich, ebenso eine große Familie zu gründen. Doch durch die Auswirkungen des zweiten Weltkrieges auf unsere Familie kam es anders. Mein Vater, Josef Dehne, wurde 1941 zum Kriegsdienst eingezogen. Meine Mutter, Theresia Dehne, Vaters Eltern und Geschwister erhielten zwischenzeitlich Post von unserem Vater. Der letzte Brief von meinem Vater an seine Schwester Helene ist vom 12.12.1943. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde meiner Mutter die traurige Nachricht überbracht, dass mein Vater am 21.04.1944 in Sewastopol/Russland gefallen sei.

Außer der schmerzvollen Realität, allein mit uns Kindern das Leben zu meistern (ich habe einen um drei Jahre älteren Bruder Heinz), hatten es die Witwen zu der Zeit in der Gesellschaft nicht leicht, sich bei Behörden etc. durchzusetzen. Meine Mutter war Schneiderin und hat sozusagen Tag und Nacht gearbeitet, um den Lebensunterhalt für uns zu verdienen. Außerdem hat sie Studenten der PH, die in Münster den Bomben zum Opfer fiel, Gastfreundschaft gewährt. Diese hatten bei uns vollen Familienanschluss.

Mit vier Jahren habe ich zwar die Traurigkeit unserer Mutter erfahren, aber ansonsten kann ich mich an eine unbeschwerte Kindheit erinnern. Ich besuchte die Volksschule, aus der ich nach dem 8. Schuljahr entlassen wurde. Im Anschluss daran begann ich eine kaufmännische Lehre, die ich nach drei Jahren mit dem Abschluss „Kaufmannsgehilfin“ abschloss. In meiner Freizeit pflegte ich das Singen im Kirchenchor und trat der CAJ (Christliche Arbeiterjugend) bei. In den Gruppenstunden war uns das Schriftgespräch anhand von sogenannten Werkbriefen wichtig. Wir diskutierten aber auch über aktuelle Themen in Kirche und Gesellschaft und vor allem über alles, was uns sonst „unter den Nägeln brannte“. Joseph Cardijn (Gründer der CAJ +1967), dem belgischen Arbeiterpriester, war es ein Anliegen, das Arbeitsklima in den Betrieben zu verbessern. Sein Leitwort war: „Sehen – Urteilen – Handeln“. Ein Zitat von ihm ist: “Euer Leben ist das fünfte Evangelium“. Als Mitglied der CAJ engagierten wir uns ebenso ehrenamtlich. So entschied ich mich für den Sonntagsdienst im Krankenhaus. In meiner Heimat waren dort von 1947 – 1976 unsere Mitschwestern.

Auch meine Tante, Schwester M. Gudelia eine Schwester von Mutter, die 1961 mit 46 Jahren an einer Lungen- Tuberkulose starb, gehörte unserer Ordensgemeinschaft an. Durch die Besuche bei meiner Tante und die Sonntagsdienste im Krankenhaus kam es zu vielen Begegnungen mit unseren Schwestern.

Nach meiner abgeschlossenen Berufsausbildung dachte ich: Ich habe einen Beruf, ein Einkommen; das kann doch nicht alles sein!? – In mir wuchs mehr und mehr die Sehnsucht, ganz für Gott und für andere da zu sein. Durch unsere Mutter wurde uns der Glaube überzeugt vorgelebt. Sie kam aus einem gläubigen Elternhaus. Außer ihrer Schwester in unserer Ordensgemeinschaft war ihr Bruder Josef Frater in der Gemeinschaft der Steyler Missionare. Leider ist dieser 1942 als 25-Jähriger im Krieg in Jablunkau/Tschechien gestorben. Sein sehnlichster Wunsch, Priester zu werden, konnte sich nicht mehr erfüllen.

Als ich 1957 im Rahmen der internationalen CAJ-Wallfahrt nach Rom fuhr, wurde meine Berufung zu einem Leben in einer apostolisch tätigen Ordensgemeinschaft klarer. Zu der Zeit war Pius XII. Papst. Ich war tief bewegt von den Ereignissen bei dem Treffen in Rom, an dem 30.000 Jugendliche teilnahmen. Bald danach nahm ich Kontakt zu unserer Ordensgemeinschaft auf. Da ich noch keine 19 Jahre war, sagte die damalige Leiterin des Noviziates, Schwester M. Roswindis: „Es sind zwei weitere junge Frauen angemeldet in dem Alter, die ebenfalls keine Ruhe geben“. So erhielt ich die Zusage für eine Aufnahme ins Noviziat zum 30. Januar 1959. Für unsere Gruppe waren drei Aufnahme-Termine angesetzt. Insgesamt waren wir 22 Postulantinnen als zweite Gruppe im Jahr 1959. Es gab immer die Frühjahrs- und Herbstabteilung.

Nach dem Noviziat und einer Ausbildung in der Krankenpflege bekam ich schon während des sogenannten „praktischen Jahres“ meinen Einsatz in der Mutterhaus-Verwaltung. Zu dieser Zeit war sie außer dem Verwaltungsleiter von Mitschwestern besetzt. Zunächst war diese Aufgabe für mich nicht so leicht, da ich gern den Dienst an den kranken Menschen übernommen hätte. Nach einiger Zeit wurde mir bewusst, dass mein Dienst in der Verwaltung indirekt auch ein Dienst an Kranken ist, der unserem Sendungsauftrag entspricht.

Im Jahre 1983 absolvierte ich ein Praktikum in der Krankenpflege zur Vorbereitung auf den Besuch eines Jahresseminars in Regensburg mit dem Abschluss „Pflegedienstleiterin“. Danach bekam ich von Mai 1984 – November 1985 einen Einsatz in unserem St. Bernhard-Hospital in Kamp-Lintfort am Niederrhein. Dort sollte ich das Krankenhaus an der Basis näher kennen lernen. Ich hatte die Möglichkeit, sowohl in der Personalabteilung als auch in der Pflegedienstleitung zu arbeiten und den Aufgabenbereich des Verwaltungsleiters kennen zu lernen.  

Im Mutterhaus zurück, kam ich wieder in die Zentralverwaltung. Nach einiger Zeit der engen Zusammenarbeit mit der Generalökonomin, Schwester M. Irmhild, wurde ich im Juni 1989 von den Schwestern der Generalleitung zur Generalökonomin gewählt. Schwester M. Angela war zu der Zeit Generaloberin. Von Mai 1989 bis Januar 1998 war ich ebenfalls Mitgeschäftsführerin der Hospital-Gesellschaften. Das Amt der Generalökonomin übte ich aus bis ich im Provinzkapitel 1997, nach der Zusammenlegung der Westfälischen und der Rheinischen Provinz, zur Provinzoberin der einen Deutschen Provinz gewählt wurde. Mit der Provinzvikarin, Schwester M. Manuela, und den Provinzrätinnen, Schwester M. Bernwardis, Schwester M. Margarete und Schwester M. Reinlind, begann unsere Amtszeit von vier Jahren am 04. Januar 1998. Das Schriftwort: „Der Herr selbst zieht von Dir her“ (Dtn 31,8) aus dem Provinzkapitel, begleitete unsere Provinz in der neuen Epoche. Diese Amtszeit war geprägt von tiefgreifenden Veränderungen in unserer Deutschen Provinz. Jede Amtszeit hat ihre eigenen Herausforderungen. Als Provinzoberin gehörte ebenfalls der Vorsitz im Aufsichtsrat der Hospital-Gesellschaften und ab 2004 im Kuratorium der St. Franziskus-Stiftung zu meinen Aufgaben. Diesen Dienst versah ich bis Oktober 2005.

Nach einer zweiten Amtszeit als Provinzoberin machte ich eine längere Sabbatzeit, um mich wieder zu stärken für eine neue Aufgabe. Die neue Provinzleitung, unter der Leitung von Schwester M. Birgitte, wählte mich für eine Amtszeit von 2006 bis 2010 zur Provinz-Ökonomin. Während der Zeit hatte ich Gelegenheit, berufsbegleitend eine dreijährige Ausbildung „Geistliche Begleitung“ am Institut für Spiritualität an der PTH in Trägerschaft der Kapuziner-Provinz zu machen. Aus gesundheitlichen Gründen bat ich Schwester M. Birgitte um Ablösung aus meinem Amt, so dass ich im April 2010 verabschiedet wurde. Seit einigen Jahren übernehme ich nun Dienste an der Pforte unseres Mutterhauses in Münster.

Bei der Rückschau auf die unterschiedlichsten Dienste in unserer Gemeinschaft bin ich dankbar für die vielen Begegnungen mit Mitschwestern im In- und Ausland, für die reichen Erfahrungen sowie für jede Unterstützung. In vielen Situationen, besonders auch in unvorhersehbaren Ereignissen, habe ich das Wirken des hl. Geistes gespürt. Die Aufgaben haben mir viel Freude gemacht. Ich bin dankbar für die Gelegenheit, durch die Besuche in allen Provinzen und der Region Indien (jetzt Provinz) einen Einblick in das Leben unserer Schwestern dort bekommen zu haben. Ich fühle mich reich beschenkt!