Generalat der Krankenschwestern vom Regulierten Dritten Orden des hl. Franziskus

Schwester M. Adelharda Sieve


In einem Dorf im Oldenburger Land bin ich am 19.11.1936 geboren. Bevor alle anfangen zu rechnen, ich bin gerade vor ca. 3 Monaten 80 Jahre alt geworden. Nach einer frohen, lebendigen Zeit in meinem Elternhaus – wir waren 10 Kinder, 4 Mädchen und 6 Jungs -, begann der erste Schritt ins Leben durch den Besuch der Volksschule in Lüsche und der weiterführenden Handelsschule in Quakenbrück. Danach begann der Ernst des Lebens, ich bekam im St. Willehad-Hospital in Wilhelmshaven als Arztsekretärin meine erste „Stelle“. Es war eine gewaltige Umstellung, weit weg vom Elternhaus in einer Stadt, in der ich immer den Überblick meines kleinen bisherigen Dorfes gesucht habe. Schon bald erfuhr ich bei meiner täglichen Arbeit im Krankenhaus, wie sich Menschen für andere einsetzten, für kranke, hilfsbedürftige. In dem Hospital waren die Mauritzer Franziskanerinnen tätig, deren Lebensweise mich einfach angesprochen hat. Offen, froh, gottverbunden und einsatzfreudig begegneten wir uns immer wieder. Dieses Erlebnis und diese Erfahrungen über einige Jahre haben bewirkt, dass ich meine Berufung zum Ordensleben erkennen durfte. Mein „Kopf“ sagte mir zwar immer, ‚das ist nichts für dich’ – doch mein Herz ging den Weg.

So bin ich 1957 bei den Mauritzer Franziskanerinnen in Münster in die Ordensgemeinschaft eingetreten. Mit mir gingen 38 junge Frauen diesen Weg. In dieser großen Schar fanden wir schnell zueinander und ermutigten uns gegenseitig, gingen über Höhen und durch Flachland. Gerne erinnere ich mich an die uns begleitenden Schwestern, die uns in das Ordensleben einführten.

Nach einer Zeit der Vorbereitung wurde ich gekleidet, legte nach weiteren zwei Vorbereitungsjahren die erste Profess ab, um mich Gott in dieser  Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Dann begann meine berufliche Laufbahn  – Krankenpflegeexamen, Tätigkeit im St. Rochus-Hospital in Telgte in der Verwaltung. Dies sah damals anders aus.  Einmal wöchentlich kam der von uns sehr geschätzte Verwaltungsdirektor, Herr Pesenacker aus dem Mutterhaus, zu uns und erkundigte sich zunächst nach unserem Befinden! Da stand nicht zuerst die Bilanz!! Gerade dadurch habe ich immer wieder Kraft und Mut geschöpft, die umfassende und ganzheitliche Lebensweise – ich möchte es knapp sagen – Verbindung von Arbeit und Gebet – gab meinem Leben Sinn und Zuversicht.   

Nebenher waren ehrenamtliche Aufgaben selbstverständlich. Das St. Rochus-Hospital, Fachklinik für Psychiatrie und Neurologie, verfügte über eine große Oekonomie. Als Beschäftigungstherapie waren die Patienten auch z. B. in diesem landwirtschaftlichen Bereich tätig. Von den vielen Aktivitäten dort ist mir eine immer sehr gut in Erinnerung geblieben. Wenn die Kartoffelernte anstand, war es ein sehr schöner Brauch, dass die fleißigen Helfer am letzten Tag der Ernte mit „Musik“ von den Schwestern vom Feld abgeholt wurden, natürlich bekleidet mit Holzschuhen und Sackschürze. Ein vorweg genommenes Erntedankfest wurde gefeiert bei einer Statio in der Kirche, Dank an Gott für die gute und reichliche Ernte. Der Ausklang mit frischen Bratkartoffeln und Spiegeleiern rundete den Tag ab und sorgte dafür, dass die Arbeit in guter Erinnerung blieb.

Nach achtjähriger froh erfüllter „Ordensjugend“ in Telgte erhielt ich die Ausbildung zur Unterrichtsschwester für Krankenpflegeberufe in Köln-Hohenlind und war danach als Leiterin an drei verschiedenen Krankenpflegeschulen tätig, wobei ich eine neu einrichten durfte. Mit Freude und Motivation begleitete ich den Weg vieler junger Menschen bis zum Examen. Bis heute gebliebene Beziehungen erinnern mich dankbar an diese Zeit.

Wichtig war für mich die Fort- und Weiterbildung, auch für mich persönlich. So besuchte ich von 1980 – 1983 an der UNI in Osnabrück den Studiengang „Weiterbildung für Lehrpersonen an Schulen des Gesundheitswesens“.

 Was geschah dann?

Am 01.10.1983 wurde ich von der Ordensleitung gebeten, für die Hospitalgesellschaft die Innerbetriebliche Fortbildung aufzubauen. Es gehörten damals zu diesem Verbund fünf Krankenhäuser.

Der Einstieg war nicht leicht. Ich hatte keine Möglichkeit, bei „anderen abzuschauen“. Die Bischöfe hatten in der „Erklärung...zum kirchlichen Dienst 1983“ (überarbeitet 22.09.93) die Träger aufgefordert, dem Anspruch der MitarbeiterInnen nach Fortbildungen gerecht zu werden. Diese sollten nicht nur fachlichen Erfordernissen entsprechen, sondern auch ethische und religiöse Aspekte des Dienstes enthalten. 

Es wurden bisher immer nur einige MitarbeiterInnen zur Fortbildung „geschickt“. Die gewünschte Durchdringung in den Einrichtungen blieb aus. Hier begann für uns das Wagnis, auch die Herausforderung, das System umzukehren. Referenten wurden zu uns eingeladen. So konnten viele an der Fortbildung teilnehmen. Dies hatte den erwarteten Erfolg, dass in den Bereichen Inhalte diskutiert und weitergegeben wurden. Von der ersten Einladung zu einer Fortbildung habe ich noch die Kostenaufstellung: Es darf geschmunzelt werden, man wurde noch buchstäblich „auf Händen getragen“. Es nahmen 113 Personen teil, die Kosten betrugen insgesamt  1.100,00 DM : 113 Personen = 9,73 DM p.P.

Mit dem Aufkommen der Vokabeln „Fallpauschalen, DRG’S, Budgetierung...“ habe ich mich am 31.03.2000 in behütete Gefilde des Mutterhauses zurückgezogen; mein Alter gab mir dazu die Berechtigung.

Aber das Rentnerdasein im Orden ist anders. Jede Schwester darf sich noch nach Kräften einsetzen. So übernahm ich für unsere Altenheime die Fortbildung. Hier einige Aufgaben:

- Hygienebeauftragte, Hygiene Arbeitsgruppen in
   unseren Altenheimen

- Fortbildungsangebote, Pilgerreisen, Besinnungstage...

- Angebote: Arbeitssicherheit wie Brandschutz, Erste Hilfe,
   fachliche Themen der Altenpflege

·  …......

In meiner Aufgabe bleibt mir Zeit für mein religiöses Leben, für besinnliche Zeiten. Hier schöpfe ich Kraft für die Gestaltung des Alltags. Die Begegnung mit älteren Mitschwestern in unseren Altenheimen zeigt mir, dass Lebensqualität in hohem Alter möglich ist. Vorbilder regen mich an, mutig den Weg in die letzte Lebensphase zu gehen. GOTT verspricht nicht nur, er gibt auch. Aus meinen Erinnerungen, die mich mit Freude erfüllen, möchte ich zwei Beispiel nennen. Bei den Fortbildungen wurde ich erst ruhiger, wenn der angesagte Referent pünktlich da war. Mir steht noch vor Augen, dass eine Referentin nicht zur Fortbildung für die Mitarbeiter-Vertretungen (MAV) unserer Hospitäler erschien. 60 Mitglieder der MAV saßen im Marienhaus. Die Situation gerettet hat damals unser geschätzter Personalleiter Herr Robert Sand, der selbstverständlich wusste, welche Inhalte er gleich bei dieser Gruppe anbringen konnte.

Es war auch nicht leicht, ethische und religiöse Aspekte anzubieten. Hier erinnere ich mich sehr lebhaft an unseren bereits verstorbenen Herrn Prälat Geelink, der uns in Besinnungstagen und auf Fahrten nach Assisi u.a. gut verständliche Hilfen zur Bewältigung des persönlichen und beruflichen Lebens gegeben hat.

Urlaub auf meiner Lieblingsinsel Rügen oder in den Bergen gibt mir die Freude am noch „Tun“ können. Die Schaffenskraft dazu ist für mich ein großes Geschenk, wofür ich sehr dankbar bin.  

Pst!! FUSSBALL    –  BAYERN-MÜNCHEN -   ist bei mir immer noch angesagt. (Hoffentlich habe ich jetzt nicht alle Freunde verloren!??)

So gehe ich meinen Weg weiter mit der mir augenblicklich geschenkten Schaffenskraft in dem Gedanken von Rainer Maria-Rilke:

„Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehen.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.“       

In diesem Sine grüßt Schwester M. Adelharda Sieve