Generalat der Krankenschwestern vom Regulierten Dritten Orden des hl. Franziskus

Schwester M. Bernwardis Kolberg


Meine Lebensgeschichte

Im September 1939, zu Beginn des II. Weltkrieges, wurde ich in Hamm/Westfalen geboren. Ich war das sechste Kind. Meine Geschwister, zwei Mädchen und drei Jungen waren mir treue Weggefährten; denn sie wussten immer was der kleinen Schwester gut tat.

Aufgrund der Kriegswirren und des Nationalsozialismus verlor mein Vater seine Arbeitsstelle in Dortmund. Mein Onkel in Stuttgart besorgte ihm eine adäquate Arbeit als Elektromeister und gleichzeitig fand er für die Familie eine Wohnung. Nach einigen Monaten starb meine Mutter an einer heimtückischen Krankheit. Wie konnte es nun weitergehen?

Ein Freund meines Vaters berichtete, dass in Gladbeck eine Witwe lebt, die ihren Mann und zwei Söhne im Krieg verloren hatte und nun allein wohnte. Ein Fachwerkhaus, Garten und überhaupt eine wunderbare Umgebung waren ihr Umfeld. Ein Jahr nach dem Tod meiner Mutter heirateten die Beiden. Wir bekamen ein wunderschönes Zuhause und so  erlebte ich trotz der Kriegsjahre eine unbeschwerte Kindheit, die jedoch auch erschreckende Momente kannte z.B. den  Vollalarm und das bedeutete, wir mussten alle für die nächsten Stunden und manchmal Tage im Bunker verbringen.

Der Tag meiner Erstkommunion ist mir in besonderer Erinnerung geblieben. Ich bekam ein Buch über das Leben der kleinen heiligen Theresia geschenkt. Der Inhalt dieses Buches hat mich tief berührt. Noch heute erinnere ich mich, dass ich mir im Garten ein stilles Versteck zum Lesen suchte. Damals erwuchs der Wunsch: ich möchte einmal ins Kloster gehen.

Nach meiner Schulzeit stand die Frage nach der Berufsausbildung an. Für uns Heranwachsende gab es angeblich nur 3 Berufe zur Auswahl: Frisör, Büro und Verkäuferin. Ich entschied mich für eine Ausbildung als Verkäuferin. Schon bald merkte ich, dass dies wohl nicht meinen Neigungen entsprach.

Nun entschied meine Mutter, ich solle mir zuerst Kenntnisse in der Hauswirtschaft aneignen. Ich begann eine dreijährige Ausbildung in Oberhausen an einer privaten Haushaltungsschule, die von Arenberger Dominikanerinnen geleitet wurde. Es war eine gute Zeit, in der mein Wunsch, Ordensschwester zu werden, immer stärker wurde. Nach dieser Zeit absolvierte ich ein Praktikum zur Vorbereitung einer Ausbildung als Wirtschafterin. Diese Ausbildung an der Hildegardisschule in Münster war nun ein Endpunkt der Berufsfindung; denn ich hatte einen Beruf, der mir Freude bereitete.

Da ich fünf Jahre nicht mehr im Elternhaus lebte, suchte ich eine Arbeitsstelle in Gladbeck. Auf meine Bewerbung im St. Barbara-Hospital eine Anstellung  zu bekommen, bekam ich die Zusage, dort für den Diätküchenbereich. In diesem Krankenhaus mit etwa 500 Betten und vielen Fachabteilungen, wirkten etwa 50 Mauritzer Franziskanerinnen überwiegend in der Krankenpflege. Die Kombination – Arbeitsstelle und Elternhaus – kam meiner Suche nach dem rechten Weg sehr entgegen.

Eintritt in die Ordensgemeinschaft

Nach drei Jahren entschied ich mich 1962 in die Gemeinschaft der Franziskanerinnen in Münster einzutreten. Die Postulats- und Noviziatszeit war eine unbeschwerte und schöne Zeit. Wie es üblich war in unserer Gemeinschaft, erlernten wir nach der 1. Profess den Beruf der Krankenpflege. Auf meinem Programm stand danach die Ausbildung zur Diätassistentin.

1968 begann die Zeit der Bewährung im Beruf. Für vier Monate kam ich  zum St. Bernhard-Hospital in Kamp-Lintfort.

Danach stand ein Wechsel zum St. Josefs-Hospital in Bremerhaven an. Sowohl das Konventsleben mit 35 Schwestern, aber auch die Tätigkeit als Diätassistentin entsprachen ganz meinen Vorstellungen. Im Juni 1969 bekam ich einen Neueinsatz in Münster in der Diätschule.

1970 legte ich mit 35 Schwestern die Ewige Profess ab. Einige Monate danach fand im Mutterhaus das Generalkapitel statt. Auf diesem Kapitel wurde Sr. M. Barthola , die damalige Leiterin der Diätschule, als Generaloberin gewählt. Für mich brach eine Welt zusammen, da mir ab sofort die Leitung der Schule übertragen wurde.

Etwa 10 Jahre begleitete mich die Frage: Wie komm ich hier nur wieder heraus? In einem Exerzitienkurs kam mir das Wort aus dem Johannes-Evangelium sehr nahe: „denn ohne mich könnt ihr nichts tun!“ Mein Herz weitete sich. Ich ging mit neuem Elan an meinen Arbeitsplatz zurück.

Ein neuer Lebensabschnitt begann im Jahr 1997. Im Provinzkapitel wurde ich in den Provinzrat gewählt. Jetzt hieß es wieder neu aufbrechen War bis jetzt der Kontakt zu den jungen Menschen mein Tätigkeitsfeld, hieß es jetzt, einen Weg mit den Schwestern zu gehen. Langsam wuchs ich in diese Aufgabe hinein.

Im Jahr 2010, nach meiner Zeit in der Provinzleitung, wurde mir als 70-Jährige das Amt der Mutterhausoberin übertragen. In dieser Zeit wurde mir immer bewusster, das hinhören, ja wirklich zuhören wichtiger ist als alle möglichen Ratschläge zu erteilen.

Im Jahr 2016 erlebte ich im St. Josefshaus in Seppenrade eine wunderbar entspannte Zeit, die jedoch 2017 durch eine neue Anfrage, als Oberin zum Konvent Maria-Hilf-St. Rochus zu gehen, endete. Telgte war mir sehr fremd, gehörte ich doch ursprünglich der Rheinischen Provinz an. Nach dem Tod von Sr. M. Theovita war bereits eine weltliche Leiterin eingesetzt. Mir oblag die geistliche Begleitung der Schwestern. Dazu habe ich mein „JA“ gegeben. Zu Beginn zählte der Konvent 41 Schwestern. Da wir kein Pflegeheim sind, wechselten viele Schwestern im Laufe der Zeit wegen Pflegebedürftigkeit in ein Altenpflegeheim. Zurzeit leben 16 Schwestern in unserem Konvent.

Jetzt sehe ich den Tag der großen Erwartung gegenüber. Wie wird es sein, wenn ich dem Herrn gegenüber stehe? Ich vertraue darauf, dass meine lebenslange Suche ein Ziel hat. Ich schließe diese Gedanken mit einem Wort von Eduard Mörike ab:

„In Ihm sei’s begonnen,
der Monde und Sonnen
an blauen Gezelten
des Himmels bewegt.
Du, Vater, du rate!
Lenke du und wende!“
Herr, dir in die Hände
sei Anfang und Ende,

sei alles gelegt!“