Generalat der Krankenschwestern vom Regulierten Dritten Orden des hl. Franziskus

Schwester M. Theophania


In diesem Jahr durfte ich mein Goldenes Ordensjubiläum feiern. Dankbar, ja glücklich schaue ich auf mein Leben, obwohl es da auch viele Erfahrungen gibt, die sehr schmerzhaft und unheilvoll waren.
Geboren wurde ich am 8. Mai 1930 in Ober-Turz, einer Deutschen Enklave in der Slowakei. Ich war das sechste Kind von neun Geschwistern. Als ich 9 Jahre alt war, kam ich mit der Kinderlandverschickung nach Westfalen auf einen Bauernhof. Es war eine sehr schöne Zeit; doch sie wurde jäh unterbrochen durch den Kriegsausbruch. Alle mussten zurück. Schade!

Nach meinem Schulabschluss arbeitete ich als Kindermädchen in Male-Ripnany, einem slowakischen Dorf. Dort wurde ich vor Heimweh krank. So habe ich mich fast gefreut, als ein Telegramm mich erreichte „Bitte sofort nach Hause, müssen flüchten“. So froh ich darüber war, endlich wieder zu Hause zu sein, so enttäuscht war ich über die schreckliche Zeit, die dann folgte. Mein Bruder wurde verschleppt. Als er zurückkam, hatte er schweren Typhus.
Es war Februar 1944 als wir von der Wehrmacht den Befehl erhielten alle nötigen Sachen zu packen, um am nächsten Morgen aufzubrechen. Das vorläufige Ziel dieser Flucht war der Böhmer Wald. Dort bekamen wir gemeinsam einen kleinen Raum. Tagsüber halfen wir alle beim Bauern, nur damit wir etwas zu essen hatten.
Bald erreichte uns auch hier im Böhmer Wald die Front. Wir wurden in einen Viehwagen verladen, und eine wahre Höllenfahrt begann. Unterwegs wurde uns von vielen Seiten des Slowakischen Volkes Schlimmes zugerufen: „Ihr Deutschen sollt vernichtet werden!“ Dazu kamen die unverschämten Aufsichtssoldaten. Zunächst mussten wir in Baracken wohnen und jeden Morgen wurden wir zur Arbeit eingeteilt. Als wir schließlich in unser eigenes Haus einziehen durften, war es völlig verwüstet. Nichts war mehr heil und bewohnbar.
Und wieder mussten wir unsere Heimat verlassen. Unsere ganze Familie kam in ein großes Sammellager und wurde von dort aus nach Mecklenburg abgeschoben. Alle erhofften sich durch die Ausweisung eine Verbesserung, och es folgten entbehrungsreiche Hungersjahre. Wir fanden schließlich in Dagun eine Unterkunft. Dort wurden wir zusammen mit mindestens 20 Familien in einem großen Tanzsaal untergebracht. Für alle gab es nur ein Waschbecken und eine Toilette.

Nichts machte uns die Hoffnung, dass unsere Lage sich ändern würde. So fassten meine Schwester, meine Nichte und ich den Entschluss „schwarz“ über die Grenze in den Westen zu gehen. Das war ein Unternehmen, das ich kein zweites Mal erleben möchte. Der Abschied von meinen lieben Eltern und Geschwistern war schwer. Als ich meine Mutter umarmte, ahnte ich nicht, dass dies das letzte Mal sein sollte. Bei eisiger Kälte und fast keiner Unterstützung gelang uns dreien unsere Flucht in die Freiheit. Wir erreichten unser Ziel, die Familie in Stadtlohn, bei der ich schon die Zeit meiner Landverschickung verbracht hatte. Trotz aller Fürsorge erkrankte ich dort schwer. Ich kämpfte mit dem Tod. Aber das Kreuz der Krankheit kann auch zum Segen werden, denn in dieser Zeit verspürte ich den Ruf zum Ordensstand. Es kam eine Zeit des inneren Kampfes. Ich versuchte oft, diesen Gedanken zurückzudrängen. Aber der liebe Gott ließ nicht locker.

1953 stellte ich mich bei den Franziskanerinnen in Münster vor. Doch dann bekam ich eine Absage. Die Begründung war, dass ich dieses Leben gesundheitlich nicht aushalten würde. Die Enttäuschung war groß. So erlernte ich zunächst die Krankenpflege. In dieser Zeit trat meine Schwester Agnes ins Kloster ein. 1957 durfte auch ich endlich den Schritt durch die Klosterpforte tun. Voll Vertrauen legte ich mein Leben in Gottes Hände. Bis jetzt habe ich meinen Schritt noch nie bereut.

Die meiste Zeit meines Ordenslebens habe ich in der Krankenpflege verbracht. In Cloppenburg war ich 11 Jahre lang Stationsschwester auf einer großen chirurgischen Männerstation. Seit 1975 bin ich in Bremen, und ich bin gerne dort. Aus Anlass meines Jubi-läums hieß es in unserer Hauszeitung über mich: „Alle im Haus kennen sie, die kleine Ordensfrau mit der warmen Ausstrahlung, die immer Zeit findet, tröstend und beruhigend auf Kümmernisse anderer einzugehen. Herzlichkeit und Fröhlichkeit zählen zu ihren Eigen-schaften“.
Ich freue mich darüber, wenn Menschen mich so wahrnehmen. Vielleicht ist es das Erbe in mir, die erfahrene Liebe und Zuneigung meiner Familie und auch Gottes Dasein für mich, dass ich heute aus diesem Reichtum schöpfen kann und immer wieder dankbar bin. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich sehr gerne noch einmal in meine Heimat fahren, in meine Slowakei. Aber was ich uns allen am meisten wünsche ist: eine friedliche Welt.