Generalat der Krankenschwestern vom Regulierten Dritten Orden des hl. Franziskus

Schwester M. Ecclesis


Wie kann man Berufung erkennen?

Am 6. Dezember 1918 wurde ich in einer Schneiderfamilie als siebtes Kind geboren. Mein Vater war ein selbständiger Damen- und Herrenschneidermeister. Die Zeiten waren damals nicht rosig und es gab wenig Geld. Oft war man froh, das Nötigste zum Leben zu haben. Mit acht oder neun Jahren konnten wir durch leichte Arbeiten, wie Vieh hüten und Kinder aufpassen, den Haushalt der Mutter durch manchen Groschen aufbessern.
Wir waren in allem eine lustige Familie. Von unseren fünf Brüdern waren einige musika-lisch veranlagt und spielten unterschiedliche Instrumente. Sie brachten uns Mädchen das Tanzen bei und Vater sang gerne mit uns. Tanzen war besonders meine große Leidenschaft und Feiern meine Freude. Es wurde viel gesungen und gelacht. Doch gab es auch öfter mal Rangeleien, wenn unsere Meinungen auseinander gingen. Ein kräftiges Wort unseres Vaters stellte den Frieden meist bald wieder her.

Eine Schwester meiner Mutter war Ordensfrau und Krankenschwester im Orden des hl. Franziskus. Einmal im Jahr kam sie zum Mutterhaus nach Münster; dann durften wir die Tante besuchen und das war immer etwas Besonders für uns. Einmal waren wir mit allen fünf Mädchen zu Besuch bei ihr. Sie lud uns ein, mit ihr zum Schwesternfriedhof zu gehen. Als sie das Tor öffnete schaute sie uns ernst an und sagte „Ich bin ganz enttäuscht von Euch. Kann denn keine von Euch sich vorstellen Ordensschwester zu werden?“. Meine spontane Antwort darauf war „Leve Tante, Du moss diene Tied affwochten (liebe Tante, Du musst Deine Zeit abwarten)“. Allerdings war ich weit davon entfernt daran zu denken, dass ich es selber sein könnte, die diesen Weg gehen würde. Doch meine Tante erzählte mir später, dass sie danach wusste, dass ich ihr nachkommen würde.

Am 1. Mai 1939 nahm ich eine Stelle als Hausgehilfin an. Schon Ende des Monats erhielt ich von Mutter die Nachricht „Komm nach Haus, Vater ist schwer erkrankt“. Mir wurden drei Tage frei gegeben und nach einstündiger Fahrt mit dem Fahrrad stand ich am Bett mei-nes Vaters. Ich sah, wie schlecht es ihm ging. Eine schwere Lungenentzündung und ein Schlaganfall beschwerten stark die Atmung. Er konnte nicht mehr sprechen. Immer wieder hob er sein Oberbett hoch, als wenn es ihm zu schwer würde. Mir schoss ein Gedanke durch den Kopf. Schon stieg ich zur Dachkammer hoch und holte mein neues Oberbett, welches schon für die Aussteuer gedacht war. Ich wärmte es an und tauschte es ein. Vaters dankba-rer Blick und sein Versuch zu lächeln hat mich lange Zeit begleitet. Von dem Augenblick an wusste ich: Krankenpflege ist mein Beruf als Ordensfrau.

Mein Herz hatte es erkannt und bejaht. Doch mein Verstand wollte es noch nicht wahrha-ben. Fragen über Fragen – wer gab mir die richtige Antwort? Nach einem Jahr Einsatz im Krankenhaus, wo auch Ordensschwestern waren, wusste ich, das ist der richtige Weg auch für mich. So bat ich 1942 um Aufnahme in den Orden, erlernte die Krankenpflege und das Ordensleben.
Jetzt habe ich bereits mein 90. Lebensjahr erreicht und ich möchte keinen Tag davon mis-sen. Immer noch ist mir jeder Tag ein neues Geschenk.