Generalat der Krankenschwestern vom Regulierten Dritten Orden des hl. Franziskus

Schwester M. Justyna


Besondere Jahrestage, die Daten der Jubiläen, regen mich immer zum Nachdenken, zur Erinnerungen an. Sie sind ein wichtiger Teil der Geschichte meines Lebens, und weil mich die Geschichte besonders fasziniert, darum nenne ich einige Fakten und alles, was dazugehört: Personen und Ereignisse.
In diesem Jahr möchte ich Gott besonders danken für die zwei „runden“ Jahrestage in meinem Leben: 45 Jahre meines Lebens und 25 Jahre meines Ordenslebens.

Vor 45 Jahren, am 9. November 1965, einem frostigen Tag (wie meine, inzwischen verstorbe-ne, gute Mutter mir gesagt hat), kam ich auf die Welt als Tochter von Jan und Hildegard Kucharczyk. Vier Jahre später wurde mein Bruder Henryk geboren. Schon von Anfang an waren die Franziskanerinnen mit meinem Leben verbunden. In meiner Heimatstadt, Olesno (Rosenberg/OS), haben unsere Schwestern in dem städtischen Krankenhaus gearbeitet. Eine von ihnen war Schwester M. Fabiola. Schon vor meiner Geburt hat sie zu meiner Mutter gesagt: wenn sie eine Tochter gebären würde, soll sie ihr den Name Barbara geben. Zu dieser Zeit war der Respekt für die Schwestern unter dem Volk sehr groß, und einige von den Schwestern hatten sehr starke Überzeugungskraft. So gab mir meine Mutter den Namen Barbara. Als ich ins Noviziat aufgenommen wurde, erhielt ich den Namen Justyna.

Mit meinem Bruder lebte ich in einer gesunden katholischen Familie, die gefestigt war durch den tiefen Glauben. Ich kann mich sehr gut erinnern an die Abende, wenn die Eltern gemein-sam zum Gebet hinknieten, und auch an die gemeinsam mit ihnen gesprochenen Rosenkränze. Sie haben mir den wahren katholischen Glauben und die Werte überliefert. Sie haben uns auch ihre ganze Aufmerksamkeit geschenkt und haben gesorgt, dass wir gut in der Schule lernen konnten. Manchmal rebellierte ich gegen ihre Stränge - vielleicht wie jedes Kind - aber jetzt bin ich ihnen dankbar dafür.

Als ich nach der Grundschule eine weitere Ausbildung wählen musste, stand ich vor einem Dilemma: Entweder beginne ich den Lehrgang in der Schule für die „Schöne Kunst“, und das bedeutete, ich muss ins Internat und das Elternhaus verlassen, was auch noch weitere Folgen gehabt hätte, oder ich besuche eine Schule in meiner Stadt. Ich war immer eine sehr schüch-terne Person. Ich konnte mir nicht vorstellen, für längere Zeit von zu Hause weg zu sein. Trotz starker Anreize seitens der Lehrer, die Schule der „Schönen Künste“ zu wählen, entschied ich mich, das nahe liegende Lyzeum zu besuchen. Ich dachte (wie übrigens viele Mitschülerinnen), dass ich nach dem Abschluss dieser Schule eine Arbeit in irgendeinem Büro finden könnte.

Gottes Pläne waren aber ganz anders ... In den letzten Schuljahren begann ich an den Exerzi-tien für junge Frauen, die in Oldrzychowice stattfanden, teilzunehmen. Oft besuchte ich auch das Kloster der Schwestern in meiner Stadt. Mehr und mehr begann ich ernsthaft über das Ordensleben nachzudenken. In den achtzigen Jahren sah man in meiner Schule mit wenig Begeisterung die jungen Menschen, die mit der Kirche stärker verbunden waren. Dazu kam noch, dass meine Freundin in der Schule gesagt hat, dass ich über Ordensleben nachdenke. Es kamen dann unangenehme Folgen für mich, die mir als unfair erschienen und die ich nicht verstehen konnte. Bereits im September, vor meinem Abitur hat mich einer der Professoren gewarnt, dass ich vielleicht das Abitur nicht absolvieren könnte. Und so geschah es. Ich habe das Abitur nicht absolviert. Ich war sauer auf Gott, und im Herzen hatte ich eine große Frust-ration. Warum ist es so? Ich habe immer so viel gelernt und nur deswegen, weil ich über Or-densleben nachdachte, habe ich das Abitur-Examen nicht bestanden .... warum? Jedoch mei-ne innere Entscheidung über das Ordensleben habe ich nicht zurückgezogen. 10 Jahre später habe ich verstanden, dass Gott uns in seiner Großzügigkeit sehr überraschen kann.

Im Orden habe ich die Fakultät für Katechetinnen in Breslau absolviert. Es war eine Zeit, wo die Religion in Polen wieder in die Schulen zurückgekehrt war. Es wäre vielleicht alles normal und ruhig gegangen, wenn mich nicht die Frage der Provinzoberin erreicht hätte: "Vielleicht würdest du das Abitur nachholen?" Ich war sehr überrascht, schließlich waren schon 10 Jahre vergangen. Ich habe mir Gedanken gemacht: wie würdest du das jetzt schaffen? Es ist schon ein ganz anderes Unterrichts-Programm; wie schaffst du es, in der Schule zu unterrichten und zugleich sich selbst auf das Abitur vorzubereiten. Es war nicht leicht. Tausende von Fragen und Zweifeln waren in meinem Herzen, aber auf der anderen Seite habe ich nicht wahrge-nommen, dass ich der Oberin "nein" sagen kann. Ich hatte große Angst, aber ich vertraute Gott. Unsere lieben älteren Schwester und viele andere Menschen halfen mir durch ihr Gebet, und ich habe mich für die Abschlussprüfung vorbereitet. Ich hatte sehr wenig Zeit. Nun, Gott hat mich wieder einmal sehr überrascht. In dem, was passiert ist, sah ich sein Wirken und die Kraft des Gebetes. Ich absolvierte das Examen als eine der besten Abiturienten der Schule. Später habe ich Theologie an der Breslauer Universität studiert und das Magister-Diplom mit Auszeichnung bekommen. Ich bin überzeugt, dass die erste verfehlte Abschlussprüfung für mich sehr nötig war, um mir zu zeigen, wie sehr Gott mich liebt und hundertfach belohnt, wenn ich Ihm vertraue.

Dann kam eine schwierige Erfahrung: so um die Zeit meiner ewigen Gelübde kamen die Krankheit und der Tod meiner geliebten Mutter. Sie war erst 52 Jahre alt. 6 Jahre später ist mein Vater gestorben. In dieser schmerzlichen Zeit, haben wir wieder etwas Wichtiges erfah-ren: die Größe Gottes in seinen Plänen. Gerade in dieser Zeit und auch wegen der Krankheit meiner Mutter, hat mein Bruder seine jetzige Frau kennen gelernt, da sie meine Mutter gepflegt hat. Und ich gewann eine wunderbare Schwägerin!
Ich habe 10 Jahre in Schulen und Kindergärten als Religionslehrerin gearbeitet. Es war für mich sehr schwer, diese Arbeit mit den Kindern, die ich so sehr geliebt habe, zu verlassen, um die verantwortungsvolle Aufgabe in der Formation der Novizinnen und Postulantinnen unserer Provinz für acht Jahre zu übernehmen. Doch die Liebe Gottes hat mich wieder einmal über-rascht, weil ich schnell die Formationsarbeit lieb gewonnen habe und als ich sehen konnte, wie in den jüngsten Mitgliedern die Liebe zur unserer Gemeinschaft und die Faszination mit dem Gründer und mit der Geschichte unserer Ordensgemeinschaft "wächst" - mein Herz hat sich gefreut.

Derzeit bin ich nicht mehr direkt für die Formation verantwortlich, aber weiterhin halte ich Vor-träge über die franziskanische Spiritualität und die Geschichte der Kongregation. Ich beschäf-tige mich außerdem mit der Mutterhausbibliothek und den vielen verschiedenen Fragen, die im Zusammenhang mit der Geschichte stehen, und mit vielem mehr.

Und schließlich möchte ich noch etwas sagen bezüglich der Pläne Gottes, die oft zur unserer menschlichen Logik nicht passen. Ich habe einmal davon geträumt, eine Künstlerin, eine Ma-lerin oder Architektin zu werden, so dass ich die Schule für die „Schöne Kunst“ wählen wollte. Ich liebte es zu malen, zu zeichnen und zu skizzieren. Als ich vor 25 Jahren in die Gemeinschaft eintrat, schien es mir (vor allem in den frühen Stadien des Ordenslebens), dass ich im Kloster alle meine Talente und was ich gerne tue, begraben müsste. Gott jedoch hat mich wieder einmal überrascht, denn er gibt uns Talente, damit wir den anderen dienen können, damit wir sie multiplizieren, und sie sind nicht dazu gedacht, begraben oder nicht verwendet zu werden. Jetzt gebe ich ehrlich zu, dass ich sehr viel Möglichkeiten habe, meine Talente zu nutzen, und ich kann nicht klagen wegen Mängel in dieser Hinsicht.

Ich danke Dir, Gott, dass ich so oft überrascht worden bin mit Deiner Liebe, weil Dein Denken, Gott, nicht menschliches Denken ist.

Ich, danke Dir, Gott, für 45 Lebensjahre, für die 25 Jahre meines Ordenslebens, für die "Fran-ziskanische und internationale Berufung" und für die Tatsache, dass Du das bist und auch ich da sein darf.